– erste Gehversuche
in der Citypastoral
„So, das war jetzt das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit einer Nonne gesprochen habe!“
sagt eine Mitarbeiterin der Welthungerhilfe, die in der Fußgängerzone in Kempten mit ihrem Stand eine Woche lang präsent ist.
Mein neuer Wohnort – Schönstatt auf’m Berg bei Memhölz – und meine Gemeinschaft ermöglichen es mir, ein- bis zweimal wöchentlich in der Stadt/Fußgängerzone zu „missionieren“. Viele erkennen mich als Schwester oder religiöse Person, viele grüßen mich bewusst mit „Grüß Gott!“ Aber der andere Teil schaut weg, ignoriert, geht vorbei. Dennoch bin ich mir sicher, dass alle, die mich mitten in der Stadt wahrnehmen, plötzlich an Gott erinnert werden. Und genau darauf kommt es an.
Citypastoral – nichts Neues –
– aber für uns Marienschwestern in Deutschland nicht alltäglich.
Bei den ersten Versuchen Ende April konzentriere ich mich auf Ansatzpunkte für ein seelsorgliches Wirken in der Stadt
(70.000 Einwohner, 2 km Fußgängerzone):
- Da finde ich das offizielle Café der Citypastoral mit ihrem Team,
- da besuche ich die Caritas-Tafel, die zurzeit total überlastet ist,
- da registriere ich die Basilika am Anfang und die evangelische Kirche am Schluss der Fußgängerzone,
- da entpuppt sich die „Kirche für alle“ (sehr außerhalb) als reines Wohn- und Arbeitsgebäude,
- da stoße ich auf das originellste Schaufenster „Hier zieht Jesus ein!“, gehe in den 1. Stock, finde nette, aktive junge Leute, die gerade einen Raum renovieren, um hier Lobpreis u. ä. zu veranstalten (Freikirche).
Citypastoral – wie funktioniert „Geh-hin-Kirche“?
Beispiel 1
Auf dem Platz vor der evangelischen Kirche genießen viele die Sonne. Ich schaue mich um und studiere die beiden Schaukästen. Eine junge Frau, die davor sitzt, macht mir Platz. Sofort entwickelt sich ein Gespräch – zuerst etwas belanglos. Sie fragt, ob ich den (Bibel-)Spruch am Eingang der Kirche gelesen hätte? „Ja!“ „Gelt, Sie sind auch gläubig!“ Was ich von Gleichnissen in der Bibel halte. Ich reagiere positiv, zähle einige auf – sie tendiert aber auf die Apokalypse – ich lasse es so stehen.
Sie spricht von Prophetie und dass das Reich Gottes jetzt kommt und schon unter uns anwesend ist. Sie treffen sich öfter in einer Gruppe, ihr Versammlungsleiter sei von Gott ausgewählt, er hätte sich nicht selbst dazu gemacht.
Als ich ihr erkläre, dass ich mich in der Citypastoral engagiere und einfach Gott in der Stadt präsent machen möchte, sagt sie: „Ja, in der Bibel heißt es doch: Wir selbst sind auch Tempel Gottes. So können wir Menschen mit Gott in Berührung bringen.“ Sie fragt nach meiner Telefonnummer – ich gebe ihr meine E-Mail-Adresse.
Beispiel 2
Am Mobilitätstag ist viel los in der Stadt. Ich stoße auf den Stand der Fahrräder mit Holzgestell – sehr ungewöhnlich! So komme ich mit der Frau, die dabeisteht, ins Gespräch. Sie sagt, dass der Hersteller ein sehr kreativer Mensch ist. Bei diesem Stichwort lenke ich das Gespräch auf Charismen, Begabungen usw. Frau X. erzählt einiges von ihrer Familie – von ihrem Sohn und ihrer Tochter und dass sie ihre Kinder nie zu etwas gezwungen hätte, sie konnten ihrem Charisma entsprechend wählen. „Und was ist ihre besondere Begabung?“ frage ich. Im Moment ist sie überfordert, aber sie will darüber nachdenken. Später sagt sie im Gespräch, sie meine, ihre Sensibilität wäre etwas Spezifisches in ihrem Wesen. Damit könnte sie ihrer Familie und anderen Menschen helfen.
Beispiel 3
Als ich auf den Rathausplatz stoße, sehe ich ein paar Männer auf der Treppe sitzen. Einer winkt mir plötzlich freundlich zu. Da sie auch Flaschen neben sich stehen haben, weiß ich nicht so recht – ob ich mich jetzt mit „Betrunkenen“ beschäftigen soll … Aber nein, der Mann ist ganz normal. Er erzählt, dass sie jetzt gerade erst mit ihrer Arbeit fertig sind (Samstag, ca. 15:30 Uhr). Er bedankt sich für das schöne/gute Gespräch neulich in der Stadt. – Er hatte mir wohl eine Wegauskunft gegeben! – Ich bedanke mich nochmal und erkläre, dass ich eine schlechte Orientierung hätte und sehr froh sei, dass es Navi und GPS gibt. – „Und wer ist ihr Navi und ihr GPS? Das ist doch der Heiland!“ „Oh“, sage ich, „ja das könnte stimmen.“ „Sie sind bestimmt ganz nah am Heiland – ich nicht so!“ „Das glaube ich nicht!“ „Doch, ich bin viel zu frech!“ „Das spielt keine Rolle, man muss nicht brav oder perfekt sein, darauf kommt es letztlich nicht an!“
Es ist eine schöne Erfahrung,
zu erleben, dass die Gottesmutter vom Heiligtum aus mit mir in die Stadt geht, bzw. vom Herzensheiligtum aus ebenso wirken kann.
Nicht selten ist dafür auch unsere MTA-Brosche eine Brücke. So manche nehmen sie wahr und erkennen sie zumindest als religiöses Zeichen.
Noch mehr als bisher kommen mir bei diesem Apostolat immer wieder markante Stellen unserer täglichen Gebete auf die Lippen: