05.07.2021

Miterleben, wie Frauen wachsen

Sr. M. Beatris Lingg
Quarten, Schweiz

Interview mit Sr. M. Beatris Lingg

Im Jahr 2020 feierten wir 100 Jahre Frauen in Schönstatt. Du selber, Sr. M. Beatris, durftest auf 20 Jahre Einsatz bei den Schönstatt Frauen und Mütter in der Schweiz zurückschauen.

Sr. M. Beatris, welche Gedanken kommen Dir spontan, wenn Dir bewusst wirst, dass Du 1/5 der 100-jährigen Geschichte Schönstatts mit Frauen mitgeprägt hast?

Oh, so habe ich das noch gar nie gesehen, aber es ist tatsächlich so, dass ich 1/5 der 100-jährigen Geschichte Schönstatts mit Frauen mitprägen durfte. Da fallen mir spontan die schlichten Worte ein: Dankbarkeit und Freude. Schönstatt begleitet mich schon seit meiner frühen Kindheit und mir wurde dadurch sehr viel geschenkt. Deshalb ist es mir wichtig, möglichst vielen Frauen vom Schatz Schönstatts weiterzugeben.

Was schätzt Du am meisten bei der Arbeit mit Frauen allgemein und mit Frauen in der Schönstatt-Bewegung insbesondere?

Es gibt sehr viele Aspekte, die mir gefallen. Besonders schätze ich das Unterwegssein mit Frauen. Das ist interessant, vielseitig, bereichernd, oft auch herausfordernd. In den allermeisten Fällen erfahre ich im Zusammenspiel mit Frauen ein freundschaftliches Geben und Nehmen. Als Plus kommt bei der Arbeit mit den Frauen und Müttern in der Schönstattbewegung dazu, dass wir gemeinsam im Glauben unterwegs sind, aus dem Reichtum der Schönstattspiritualität schöpfen und im Liebesbündnis die Verbundenheit mit Gott, der Gottesmutter und untereinander leben.

Was „machst“ Du konkret in der Arbeit als sogenannte „Mütterschwester“?

Meine Aufgabe als „Mütterschwester“ ist sehr vielseitig und es besteht keine Gefahr, dass es mir langweilig wird. Da gibt es die Arbeiten im Büro. Da werden Ausarbeitungen gemacht, etwa die Gruppenstunden zur Jahresarbeit, ein Angebot für die Gruppenleiterinnen. Hier entstehen die Artikel für den Treffpunkt „Frau“, (Zeitschrift der Frauen und Mütter in der Schweiz), der viermal pro Jahr erscheint.

Als „Mütterschwester“ versuche ich, den Kontakt mit den Frauen und Müttern zu pflegen durch Briefe, Telefonate, Mails, SMS oder Besuche. Gerne besuche ich einzelne Gruppen und gestalte diese Zusammenkünfte. Die Gespräche im Kreis der Frauen sind anregend und wertvoll, nicht nur für die Frauen, sondern auch für mich. Wenn mir die Pandemie nicht gerade einen Strich durch die Rechnung macht, führe ich mit und für Frauen Tagungen und verschiedene andere Veranstaltungen durch.

Gerne halte ich mich bereit für Gespräche. Der Einzelkontakt ermöglicht, die Frau persönlich aufzunehmen und konkret auf Fragen einzugehen und nach individuellen Antworten zu suchen. In den 20 Jahren durfte ich in manches Frauenschicksal hinein sehen und mich freuen, wie die Frauen aus dem Reichtum Schönstatts Antworten und Kraft für die Zukunft bekommen. Es ist ein Geschenk, wenn man miterleben darf, wie Frauen in ihrer Persönlichkeit wachsen und ihrem Persönlichen Ideal mehr und mehr auf die Spur kommen.

Vieles geschieht in der Stille. Äußerlich gesehen sind es kleine Maschen, die wir als Frauen und Mütter stricken. Dennoch haben wir als Gemeinschaft schon einiges bewegt. Seit viele Jahren haben unsere Frauen „ein Herz für Burundi“. Sie unterstützen regelmäßig notleidende Mütter und Kinder. Zurzeit setzen sie sich ein, dass genug Milchpulver zur Verfügung steht. Eine große Sache war der Einsatz für den tollen Spielplatz beim Restaurant Neu-Schönstatt in Quarten, der von Kindern eifrig genutzt wird. Es ist erstaunlich, was meine Frauen und Mütter sich einfallen lassen, um andere zu unterstützen. Ja, ich bin sehr stolz auf sie!

Was empfindest Du als besondere Herausforderung in dieser Aufgabe?

Die größte Herausforderung ist für mich, passende, treffende Worte und Bilder für die Welt Schönstatts zu finden, damit die Frau von heute den Schatz erkennen, verstehen und in den Alltag integrieren kann.

Eine weitere Herausforderung ist für mich der Umgang mit den modernen Medien. Da brauche ich schon hin und wieder Unterstützung von medienbewährten Mitschwestern oder Frauen aus der Gliederung. Es ist nicht immer einfach, am Ball oder an der Zeit zu bleiben.

 Was schätzen die Frauen vor allem in der Schönstattbewegung?

Diese Frage sollten wir eigentlich den Frauen stellen. Aber gut, ich weiß natürlich das eine oder andere, weil ich immer wieder Rückmeldungen bekommen. Die Frauen bringen öfter zum Ausdruck, dass sie manches im Leben nicht so gut meistern könnten, wenn sie Schönstatt nicht hätten. Sie schätzen, in Gemeinschaft mit anderen Frauen auf dem Glaubensweg zu sein. Vielen gibt das Leben aus dem Liebesbündnis Halt und Sicherheit im Auf und Ab des Alltags. Der Vorsehungsglauben ist für viele zur Lebensanschauung geworden. Er hilft ihnen, hinter die Ereignisse zu schauen, um den Plan Gottes besser zu erkennen. Es gibt bestimmt noch viel mehr, was die Frauen in der Schönstattbewegung schätzen!

20 Jahre ist eine lange Zeit, ein Drittel Deines Lebens! Ist das nicht auch ermüdend, belastend …?

Tatsächlich bin ich ein Drittel meines Lebens mit den Frauen in der Schönstattbewegung unterwegs. Da könnten Ermüdungserscheinungen durchaus auftreten. Du möchtest wissen, wie das bei mir aussieht. Ich will ehrlich sein, so ganz frisch bin ich nicht mehr. Meine Kräfte sind weniger geworden und ich brauche mehr Zeit, um mich zu regenerieren. Aber ermüdet in dem Sinn, dass es mir verleidet ist, das möchte ich entschieden verneinen. Ermüdend wäre es, wenn alles immer im gleichen Trott gehen würde. Das kann aber kaum passieren, wenn man mit verschiedenen, interessanten Frauen unterwegs ist. Frauen haben die Fähigkeit, einander zu motivieren. Zwar kehren regelmäßig die jährlichen Veranstaltungen wieder, doch es finden sich andere mitverantwortlichen Frauen für die Vorbereitung. So bekommen Treffen ein eigenes Gepräge und ich werde neu gefordert.

Belastende Momente kommen hingegen schon auch vor: Wenn die Zeit knapp ist und es mit der schriftlichen Ausarbeitung nicht vorwärtsgeht. Wenn der Tagungstermin näher rückt und ich nicht weiß, wie viele Teilnehmerinnen kommen. Manchmal belastet mich auch das eine oder andere Schicksal einer Frau, weil mein Herz halt einfach mitleidet. Belastungen, das ist mir klar, gehören zum Leben und führen näher zum himmlischen Vater und zur Gottesmutter. Von dort kommt die Hilfe für die mir anvertrauten Frauen und für mich. Nicht nur die Freuden, auch die Belastungen kann ich schließlich, so wie es die Frauen auch tun, ins Gnadenkapital schenken.

 Hat sich in diesen zwanzig Jahren in der Arbeit mit den Frauen und Müttern etwas verändert, verbessert, verschlechtert?

Sicherlich hat sich in den 20 Jahren einiges verändert. Das digitale Zeitalter ist auch bei uns sichtbar. Manches hat sich auf dem Fundament der ersten Frauen weiterentwickelt. Es ist wichtig, dass wir nicht stehen bleiben, denn wir sind überzeugt, dass Schönstatt nicht nur etwas für gestern und heute ist, sondern für morgen und übermorgen. Es hat sich vieles entwickelt in diesen 20 Jahren. Das freut mich.

Was mich und uns als Frauen und Mütter besorgt stimmt ist, dass in den letzten Jahren weniger junge Frauen und Mütter nachgekommen sind. Wir beten, und vertrauen auf die Gottesmutter, dass bald eine jüngere Generation nachwächst, die offen ist für den Schatz Schönstatts und daraus ihr Leben gestaltet zum Segen für die Kirche und Welt der neuesten Zeit.

Im März sind wir per Zoom-Treffen mit jungen Frauen erste Schritte in diese Richtung gegangen!