07.09.2020

KZ-Gedenkstätte Dachau

Sr. M. Elinor Grimm

Einsatz bei den religiösen Gedenkorten in Dachau während der Pandemie 2020

Seit mehreren Jahren bin ich als Referentin bei der KZ-Gedenkstätte tätig. Meistens führe ich Schulklassen. Manchmal kann ich mit Schönstattgruppen auf den Spuren Pater Kentenichs durch die Gedenkstätte gehen. Wegen der Pandemie war die Gedenkstätte mehrere Wochen ganz geschlossen. Dann war nur der Außenbereich zugänglich. Wir Referenten nutzten Homeoffice für Recherche, Vorbereitungsarbeiten und Fortbildung.

„Cicerone“ – ein neues Angebot*

Seit Pfingsten gibt es ein besonderes Angebot für Besucher: „Cicerone“.* Am Wochenende sind an neun Stellen im Freien Referenten im Einsatz – erkenntlich am orangen Halstuch und einer Infotafel. Sie informieren zu ihrem Standort. Die Besucher können fragen. Es gibt Anschauungsmaterial zum Museum, das inzwischen eingeschränkt zugänglich ist. Das Projekt wird sehr gut angenommen, wie die Echos zeigen.

Wir Referenten machen die Erfahrung:

  • ­Man hat mehr Zeit, um auf die Leute einzugehen.
  • Besucher stellen eher Fragen als in einer großen Gruppe.
  • Öfter bedanken sie sich ausdrücklich.
  • Immer wieder sind Leute nachdenklich und suchen nach Antworten.
  • Manche wissen wenig über die Zeit des Nationalsozialismus. So muss man allgemein zum ehemaligen KZ etwas erklären. Oft sind es Fragen zum Krematorium, zur Gaskammer.
  • Kaum jemand weiß, dass ab Ende 1940 nahezu alle Geistlichen aus anderen Haftanstalten aus ganz Europa zentral in Dachau interniert wurden. So erfahren sie, dass Kirchenvertreter auch im Widerstand waren.

Infopoint „religiöse Gedenkorte“ – Standort „Todesangst-Christi-Kapelle“

Ich habe mich für den Infopoint „religiöse Gedenkorte“ mit Standort „Todesangst-Christi-Kapelle“ gemeldet.  Die Kollegen meinten, der Ort „passe“ zu mir. Zudem bin ich dort geschützt gegen Regen, Sturm, Sonne! Ich mache die Besucher auf alle religiösen Erinnerungsorte aufmerksam. Ich berichte von der guten ökumenischen Zusammenarbeit.  Manche lesen auch nur die Texttafeln zu den Gebäuden oder hören ihren Audioguide.

Es kommen ganz unterschiedliche Besucher: Arbeiter – oft aus Osteuropa -, hochgebildete Leute, Akademiker, Familien mit Kleinkindern oder mit Schulkindern, junge Pärchen, Einzelbesucher … Wertvoll ist es, wenn man Sprachen kann.

Beeindruckend für so manche Besucher ist das Läuten der großen Glocke kurz vor 15 Uhr. Oft fragen sie, warum die Glocke gerade um 15 Uhr läutet. Was „Karmel“ oder „Heilig Blut“ bedeutet, was das Symbol über dem Eingang darstellt (Dornenkrone, Stacheldraht).

Manche machen beim Betreten der Todesangst-Christi-Kapelle ein Kreuzzeichen. Neulich brachte jemand eine „Glaubenskerze“, damit ich sie gelegentlich anzünde!

Viele sind von dem monumentalen Bau beeindruckt, von den großen Steinen, aber auch vom Nagelfluh-Beton im Altarbereich. Eine Kollegin wusste, dass dieser in Oberbayern „Herrgotts-Beton“ heißt, weil er oft in Kirchen verwendet wurde.

Oft kann ich interessierten Besuchern Infomaterial über Geistliche als Häftlinge mitgeben, auch über Pater Kentenich. Daher habe ich die Seiten über ihn vom Gedächtnisbuch „Namen statt Nummern“ immer dabei.

Mein Cicerone Wochenendeinsatz am 8. und 9. August

Ich war gerade bei der Lagerstraße, da kam eine junge Frau eilig auf mich zu und wollte manches fragen. Es war eine Studentin aus der Schönstattbewegung in Ecuador die z. Zt. in Süddeutschland studiert. „Wo sind besondere Stellen mit P. Kentenich“, wollte sie wissen. Ich schaute, was ich noch in meiner Tasche an Infomaterial hatte und gab es ihr. Dann habe ich ihr angeboten, dass sie später zu meinem Einsatzort bei der Todesangst-Christi-Kapelle kommen könne. Wir freuten uns beide über diese spontane Begegnung. Später kamen die drei Studenten/innen tatsächlich noch zur Kapelle. So konnte ich allen noch etwas Material mitgeben.

Beim Cicerone Einsatz gab es wieder so manche intensiven Gespräche zu politischen, sozialen, philosophischen, religiösen Themen, auch mit Menschen aus anderen Ländern. Die Sprache erschwert manches.

So fragte ein Franzose mittleren Alters, der von der Schule her noch etwas Deutsch konnte: Wo war Gott? Immer wieder sagte er das. Ich versuchte ihm manches zu vermitteln, sprach von der Freiheit, die Gott dem Menschen gegeben hat. Das hat er aber scheinbar nicht verstanden. Er war jedoch nicht total ablehnend.

Ein anderer Herr, ebenfalls vielleicht zw. 40 und 50 aus der Stuttgarter Gegend, gebürtig aus dem ehemaligen Jugoslawien. Er fand es bedrückend, dass das Kreuz so groß ist. Er war der Auffassung, dass das Kreuz überall an Tod erinnere. Das ist bedrückend. Er war in Srebrenica und anderen Gedenkorten: überall Tod, Kreuze!

Aus der ehemaligen DDR war eine Familie, die Eltern hatten in ihrer Schulzeit Buchenwald besuchen müssen. Der Mann gestand, dass sie damals einseitig informiert wurden.

Am Sonntag konnte ich vormittags am würdigen Gedenkgottesdienst 60 Jahre Todesangst-Christi-Kapelle teilnehmen. Auch die Karmelitinnen nahmen teil. So war es eine beachtliche Schar, wegen Corona mit Abstand. Hauptzelebrant war Domdekan Dr. Lorenz Wolf. Musikalisch wurde die Feier durch ein Streicherensemble aus München verschönert.

Nachmittags wurde in der Todesangst-Christi-Kapelle gegen 15 Uhr die Novene zu Karl Leisner gebetet. Am 12.8. ist sein 75. Todestag. Der Verein „Selige des KZ Dachau“ hat sich dafür bereit erklärt. Die Vorsitzende, Frau Neudert, brachte zwei neue Rollups mit und Flyer. Es war eine kleine, ökumenische Gebetsgruppe.

 Mein Standort „Todesangst-Christi-Kapelle“ ist zentral.

Es ist eine gute Chance, um heute Menschen aus aller Welt zu erreichen, ohne aufdringlich zu sein! Eine besondere Freude sind dabei „Schönstattbegegnungen“.

Neulich kam ein junger Schönstätter aus Paraquay. Stolz zeigte er mir seine große MTA-Medaille.

Im Umkreis des 16. Juli machten zwei Ligistinnen stellvertretend für ihre Gemeinschaft eine „Dachauwallfahrt“ und erinnerten an die Krönung der Gottesmutter – Bronzeplastik im Gedenkraum – und ihr damaliges Geschenk: das Zepter!

Am Gründungstag der Marienbrüder und des Familieninstituts bin ich auf dem Appellplatz Herrn B. begegnet aus dem Verband. Eine solche Treue beeindruckt mich!

Dankbar bin ich, dass der Dachaubesuch des internationalen Seminars unserer Schwestern möglich war. In Kleingruppen konnte ich die jungen Schwestern im Freien führen. Auch das Wetter war an diesen Tagen günstig.

Vorerst gibt es das Cicerone Angebot bis Anfang September. Vielleicht wird es wegen der guten Rückmeldungen auch im nächsten Jahr zumindest an exponierten Stellen angeboten.

vermehrt digitale Angebote

Vermehrt werden inzwischen digitale Angebote durchgeführt. So konnte ich im Hintergrund Kolleginnen helfen beim Live-Rundgang zu den religiösen Gedenkorten. Beim Dachauer Forum/KEB mache ich beim digitalen Testprogramm mit, konkret beim digitalen Seminar mit dem Thema: „Kirche, Religion, Glaube im Nationalsozialismus“. Ich hoffe, dass ich später das Material auch für Dachaufahrten der Schönstattbewegung nutzen kann, MPHC.

Ende September ist nun mein Themenrundgang „Überlebensstrategien von Häftlingen im KZ Dachau“ im Auftrag des Münchner Bildungswerkes geplant. Wegen des Lockdown konnte er im Mai nicht stattfinden.

 

* Cicerone ist eine Bezeichnung für einen Fremdenführer, der Touristen und Besucher in Museen, Sehenswürdigkeiten usw. führt und historische Hintergründe erläutert.