16.03.2023

Dem Leben dienen, mitten in der Stadt – 2. Teil

Sr. M. Monja Schnider
Zürich, Schweiz

Ein Herz, das Ohren hat

–  1. Teil  –


Als Marienschwester habe ich bei der Katholischen Kirche Zürich eine Anstellung für Klinikseelsorge. Meine Einsatzgebiete sind zwei führende orthopädische Kliniken.

Als ob Jesus oder Maria persönlich kommen

Das Schwesternkleid hat für viele Menschen eine Vertrauen weckende Wirkung. Meine reformierte Kollegin meinte sogar einmal zu mir: „Wenn du kommst, dann ist das für manche, wie wenn Jesus oder Maria persönlich kommen!” In meinem Klinikalltag erfahre ich Gottes Führung oft sehr intensiv. Es berührt mich, wenn ich nichtsahnend bei Patienten eintrete und sich herausstellt, das war genau der richtige Zeitpunkt, oder Patienten äußern: „Sie hat Gott geschickt!” Ich denke da an eine Patientin, die nur kurz wegen einer Knieoperation da war. Als ich ins Zimmer trat, fing sie an zu weinen – das sei doch unglaublich, dass ich sie heute besuche, es sei der erste Todestag ihres Mannes und das ist grade so schwierig für sie. Sie fragte, ob es möglich ist, die Kommunion zu erhalten – so durfte ich ihr am Nachmittag den eucharistischen Heiland ins Zimmer bringen und wir schlossen alle ihre Anliegen und den verstorbenen Ehemann in die Gebete der Kommunionfeier ein.

Begegnungen unterwegs in der Stadt

Was einer Marienschwester in der Stadt unterwegs alles so begegnet. Da spricht mich eine Frau aus Brasilien an der Haltestelle an, und an einem anderen Tag ein Mann aus Indien. Sie wollen wissen, woher ich komme und zu welcher Gemeinschaft ich gehöre. „Gibt es hier ein Kloster?” werde ich unterwegs öfter gefragt. „Nein, ich arbeite hier in der Stadt und lebe alleine in einer 2-Zimmer-Wohnung gleich um die Ecke.” Wenn etwas mehr Zeit ist, erfahren sie auch, dass ich als „externe Marienschwester” zwar hier arbeite und wohne, aber doch regelmäßig einige Tage mit meiner Gemeinschaft am Walensee lebe. Das finden sie schön und sind erstaunt, dass es so etwas gibt. Eine Dame, die im gleichen Haus wie ich wohne, meinte, als ich mich beim Einzug bei ihr vorstellte: „Das ist aber schön, dass jetzt so jemand wie Sie in unserem Haus wohnt!”

Einmal lief ich beim Bellevue-Platz über die Kreuzung, da fuhr ein sportlicher Fahrradfahrer an mir vorbei und rief laut über die ganze Kreuzung hinweg: „Grüß Gott, Schwester!” Am Hauptbahnhof rief ein junger Mann mir zu: „Bist du auch ein Jesus-Freak?” – „Ja, natürlich”, antwortete ich im Vorbeigehen. Er: „Das ist schön, dann sind wir schon zwei!”

„Sag mal, wie lebst du?”

Als ich einmal hinten im Bus einstieg, sprach mich ein junger Mann (circa 20 Jahre) an: „Hey, du kannst hier zum Predigen kommen!” Ich grüßte ihn nett und setzte mich etwas weiter vorne hin. Zum „Predigen” hatte ich keine Lust. Da kam der junge Mann nach vorne, setzte sich gegenüber hin und fragte: „Sag mal, wie lebst du? Was machst du so?” Er wollte also keine „Predigt”, er interessierte sich für mein Leben und Zeugnis. Es war nur kurze Zeit bis zur nächsten Haltestelle – am Schluss meinte er: „Und das ist alles?!” – „Ja, sagte ich, das ist alles – aber ich versuche das so gut wie möglich zu tun und für andere da zu sein!” Werktagsheiligkeit zu leben ist einfach, und so könnte man auch zu der Schlussfolgerung des jungen Mannes kommen: „Und das ist alles?!” Er hatte sicherlich eine andere Antwort erwartet und war wohl überrascht, dass wir auch ein „normales Leben” führen, aber eben mit Gott verbunden, geprägt und motiviert aus der Christusnachfolge.

Liebesbündnis Erneuerung in spanisch

Oh, ja – wenn ich spanisch könnte, dann könnte ich sowohl in der Klinik als auch sonst unterwegs noch mit mehr Menschen in Kontakt kommen. Hier in Zürich leben viele Migranten und Spanisch-Sprechende Menschen, die mit dem Projekt Pilgerheiligtum verbunden sind. Gelegentlich nehme ich in der Spanischen Mission an der Heiligen Messe mit anschließender Erneuerung des Liebesbündnisses teil. Die Frauen und Männer der Spanisch-Sprechenden Pilgerheiligtumskreise haben ein großes Vertrauen in unsere liebe MTA. Das Liebesbündnis und die Gemeinschaft in den Kreisen schenken ihnen Halt und Kraft in ihren oft nicht einfachen Lebenssituationen.

„Den Ärmsten am wärmsten begegnen”

Teklit Tekeste, ein Flüchtling aus Ägypten, steht regelmäßig vor dem Supermarkt, in dem ich meine Lebensmittel einkaufe. Teklit verkauft das Straßenmagazin „Surprise”. Die Hälfte des Preises geht an die Verkäufer. Ich treffe ihn fast täglich, wenn ich aus dem Bus aussteige und kaufe ihm einmal im Monat das Magazin ab. Sonst unterhalten wir uns jeweils einen Moment.

Im Dezember waren einige bitter kalte Tage und Teklit trug lediglich dünne Turnschuhe und klagte über kalte Füße. Oh weh, dachte ich. Er hat noch eine Frau und zwei Kinder. Das geht nicht, dass er krank wird. Ich steckte ihm von meinem persönlichen Geld eine Schein in eine Weihnachtskarte, sodass er sich ein paar warme Boots kaufen kann. Nach drei Tagen ruft er mir über die Straße ein DANKE zu, zeigt auf seine neuen warmen Schuhe und strahlt übers das ganze Gesicht. Wir sind inzwischen gute „Freunde” geworden.

Als Marienschwester Zeichen Gottes – den Menschen nah

Durch meine Aufgabe und das Leben als externe Marienschwester wurde ich in meiner Berufung neu und tief beschenkt. Im „Marienkleid” erinnere ich viele an Gottes Gegenwart in der Welt. Ich selbst erfahre die Führung und Vorsehung Gottes täglich neu und intensiv – ich lerne mehr und mehr, mit dem Herzen zu hören, was mein Gegenüber spricht, leidet, und wie Gott mich durch die Geschichten und Lebensweisheit der anderen Menschen beschenkt. Jeden Tag stellt sich mir neu die Frage: „Mit welcher Botschaft tritt der Engel Gottes” mir wohl heute entgegen?

Und ich darf gewiss sein: „Der Herr ist mit mir, und die Kraft des Höchsten wird”
mich und die Menschen, denen ich begegnen darf, „erfüllen”.