Schw. M. Lumengarda Kner
6.2.1914 – 9.1.2002
Bei der Ökonomie von Haus Maria Rast hörte man die Stimme des kleinen Nico vom benachbarten Forsthaus. Er war gerade bei den Kühen und rief diesen zu: „Freut euch, freut euch, Schwester
M. Lumengarda kommt!“ Ja, die „Stallschwester“ war bei den Kindern und auch bei den Tieren beliebt. In ihrer originellen Art hatte sie jeder Kuh einen Namen gegeben, und die Tiere gehorchten ihr. Sie liebte ihre Aufgabe, und das spürten nicht nur die Kinder aus der Umgebung, sondern selbst die Tiere und Pflanzen, mit denen sie zu tun hatte.
Diese „kleine Schwester“
Wer war diese „kleine Schwester“, wie die Kinder sie nannten, der seit 1955 der Landwirtschaftsbetrieb beim damaligen Provinzhaus der Marienschwestern in Maria Rast bei Euskirchen anvertraut war?
Schwester M. Lumengarda wurde am 6. Februar 1914 in Dächingen/Württemberg geboren. Dort wuchs sie in einer großen Familie auf. Einer ihrer Brüder wählte ebenso wie sie einen geistlichen Beruf, der bekannte Priester und Schriftsteller Monsignore Anton Kner.
Nach dem Besuch der Volksschule belegte Schwester M. Lumengarda Nähkurse und erwarb reiche Kenntnisse in der landwirtschaftlichen Haushaltsführung. In dieser Zeit lernte sie in ihrer süddeutschen Heimat die werdende Schönstatt-Bewegung kennen. Sie schloss sich zunächst der Frauenliga an, entschied sich aber drei Jahre später, mit 24 Jahren, Schönstätter Marienschwester zu werden.
Werkzeug in der Hand der lieben Gottesmutter
Was motiviert einen jungen Menschen, einen solchen Schritt zu wagen? Schwester M. Lumengardas Beweggrund war: „Ich will als Werkzeug in der Hand der lieben Gottesmutter ganz selbstlos arbeiten für Christus und sein Reich!“ Mit diesem Ziel vor Augen trat sie am 10. Oktober 1939 in das Säkularinstitut der Schönstätter Marienschwestern ein.
Gerne hätte sie den Beruf der Krankenschwester erlernt. Doch sie verzichtete aus Liebe zu unserer Gemeinschaft auf diesen Wunsch. Sie sah, dass sie in dieser armen Anfangszeit an einem anderen Platz gebraucht wurde. Entsprechend ihrer guten Vorbildung wurde Schwester M. Lumengarda schon als Novizin in der Feld- und Stallarbeit auf einem 1940 neu übernommenen Bauernhof in Sutum (heute eingemeindet in Gelsenkirchen) eingesetzt.
Die Kriegs- und Nachkriegsjahre waren von vielerlei Gefahren für die jungen Schwestern geprägt. Wegen der nahliegenden „Waffenschmiede“ der Nazis, den Kruppwerken in Essen, mussten sie ständig damit rechnen, dass sie mitsamt dem Hof den Luftangriffen und dem Granatfeuer zum Opfer fallen würden. Es gab keinen Luftschutzkeller und der nächste Bunker war weit entfernt. Auch das Kriegsende brachte für Schwester M. Lumengarda noch nicht das Ende der Schrecken. Die ausgehungerten, in ihrer Menschwürde verletzten Zwangsarbeiter zogen in Gruppen raubend und mordend durch die Gegend. Auch der Hof der Schwestern wurde wochenlang heimgesucht. Schwester M. Lumengarda musste miterleben, wie das Haus ausgeplündert wurde. Gerade in diesen Erlebnissen durfte sie den Schutz und die Fürsorge der Gottesmutter erleben und erzählte davon voller Dankbarkeit in späteren Jahren.
Der nächste Wirkungsort von Schwester M. Lumengarda war von 1950 bis 1955 Oberhausen-Osterfeld, wo sie mit viel Liebe und Sorgfalt den Garten, die Hühner und Schweine des Kinderheims versorgte. Wie sie die kleinen Dinge ihres Alltags heiligte und meisterte, hatte Ausstrahlung bis in die örtliche Pfarrgemeinde hinein.
Ab 1955 setzte Schwester M. Lumengarda dann mit großer Liebe und Sachkompetenz ihre Fähigkeiten und ihre Kraft im Landwirtschaftsbetrieb in Maria Rast ein – für die folgenden fast 40 Jahre.
Jede Arbeit dient der Verherrlichung Gottes
Die harte körperliche Arbeit war für sie oft schwer, zumal sie schon seit jungen Jahren an einem Herzfehler litt. Trotzdem meisterte sie alles mit großer Selbstverständlichkeit und aus der tiefen Überzeugung, dass jede Arbeit der Verherrlichung Gottes dient. Diese Einstellung schenkte ihr ein gesundes Selbstwertbewusstsein. Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, ihre Tätigkeit im Vergleich zu den Aufgaben anderer Mitschwestern als „minderwertige“ Arbeit anzusehen. Im Winter wie im Sommer, bei Wind und Wetter – jeden Morgen stand Schwester M. Lumengarda schon lange vor ihren Mitschwestern auf, um die Kühe zu melken. Nach getaner Arbeit zog sie sich um und feierte mit der Gemeinschaft die Frühmesse. Nie verlor sie über die damit verbundenen Opfer ein Wort. Für sie war das ganz selbstverständlich.
Die innere Kraft für ihren Alltag gab ihr eine Begegnung mit dem Gründer der Schönstattbewegung, Pater Kentenich. Dieses Erlebnis war ihr so wertvoll, dass sie es sich aufgeschrieben hat:
„Auf die Frage unseres Gründers: ‚Wie geht es Ihnen gesundheitlich?‘ sagte ich: ‚Herr Pater, ich bin körperlich nie ohne Schmerzen.‘ Darauf antwortete er: ‚Das ist ein besonderes Geschenk vom lieben Gott. Er will Sie dadurch ständig an seine Gegenwart erinnern.‘“
Ein großes Herz für Kinder
Schwester M. Lumengarda war ein froher und liebenswürdiger Mensch, der ein großes Herz für Kinder hatte. Gerne sorgte sie bei Familientagungen für die Kleinkinder. Sie holte sie in einen Raum in der Ökonomie, hatte einen Teppich auf dem Boden ausgebreitet und beschäftigte sich mit ihnen. Ein besonderes Geschick hatte sie, den Kleinen kindgemäß schöne Tiergeschichten zu erzählen. Den älteren Kindern zeigte sie die Kühe. Sie durften beim Melken zuschauen und auch warme Milch probieren. Das war für diese allerdings eine echte Mutprobe. Die Kinder aus der Stadt meinten dann oft: Die gekaufte Milch aus dem Kühlschrank schmeckt doch besser!
Jede Kartoffel ein Gebet
Nach und nach musste der Ökonomiebetrieb verkleinert werden. Erst wurden die Kühe, dann die Schweine und zuletzt im Winter 1993 die Hühner abgeschafft. Das war für Schwester M. Lumengarda ein leidvoller Prozess. Sie war nun fast 80 Jahre alt, dachte aber noch lange nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Ihre neue Aufgabe fand sie hauptsächlich in der Schälküche des Bewegungshauses, in der oft große Mengen an Salat geputzt und Kartoffeln geschält wurden. Manchmal erwähnte sie, dass sie bei jeder Kartoffel, die sie schäle, die Gottesmutter bitte, sie möge die Menschen segnen, die die Kartoffeln am nächsten Tag essen.
In ihrer ausgesprochen apostolischen Einstellung verfolgte Schwester M. Lumengarda nicht nur mit wacher Aufmerksamkeit das Weltgeschehen, sondern auch alle Unternehmungen in der Bewegung und in der Bildungsstätte. Wo es ihr möglich war, half sie selber bei Großveranstaltungen an verschiedenen Stellen mit.
Apostolat der täglichen Anbetungsstunde im Heiligtum
Sie verstand es, jede Kleinigkeit, die sie tat, in den Dienst der Sendung unseres Heiligtums zu stellen. Ein wichtiges Apostolat war für sie die tägliche Anbetungsstunde im Heiligtum. Besondere Freude hatte sie daran, wenn sich während „ihrer“ Zeit ihre „Freunde“ einfanden, die ihr ein Leid anvertraut hatten oder anvertrauen wollten. Manche Leute knieten sich dann einfach in ihre Bank, um mit ihr zu beten. Manche wählten bewusst diese Zeit, um Schwester M. Lumengarda zu treffen. Wenn sie einmal nicht anwesend sein konnte, fragten sie sofort, ob ihr etwas zugestoßen sei.
Schwester M. Lumengarda besaß eine besondere Ausstrahlungskraft. Ihre Grundhaltung war Dankbarkeit und Zufriedenheit. Man erlebte sie immer froh. Neben ihren vielen praktischen Fähigkeiten besaß sie reiche geistige Gaben, die sie gerne und selbstverständlich in der Gemeinschaft einbrachte. Durch ihre aktive Mitarbeit bei Besprechungen und ihren ausgesprochenen Sinn für Geschichte hat sie das Leben der Filiale wesentlich mitgeprägt. Mehrmals wurden ihr auch verantwortliche Aufgaben in der Schwesterngemeinschaft vor Ort anvertraut.
„Sie hat uns vorgelebt, wie man es im Alter macht.“
Wer Schwester M. Lumengarda in ihrer kindlichen und zugleich kraftvoll herben Art erlebte, ahnte nicht, wie akut krank sie war. Mitschwestern sagten von ihr: „Sie hat uns vorgelebt, wie man es im Alter macht“ oder „Sie hat uns die Werktagsheiligkeit vorgelebt.“
Kurz nach Weihnachten 2001 wurden bei ihr akute Herz- und Atembeschwerden spürbar. Die vom Hausarzt verordneten Medikamente brachten keine Linderung. So wurde – für sie erstmals in ihrem Leben – eine Einweisung ins Krankenhaus notwendig. Dort stellte man fest, dass ihr Zustand lebensbedrohend war. Als der Krankenhausseelsorger ihr am Vormittag das Sakrament der Krankensalbung spendete, konnte sie noch alles wach aufnehmen und mitbeten. Am Nachmittag gegen 15 Uhr – es war der 9. Januar 2002 – holte der ewige Vater sie nach einem reichen und fruchtbaren Leben in seinem Dienst zu sich heim in die Freude der Ewigkeit.
Was ihr Bruder, Monsignore Kner, nach ihrem Tod zusammenfasste, das können wir nur unterstreichen: